G E S C
H I C H T E
Genauere Berichte über die Geschichte der Beduinen des Negev liegen uns erst mit
den wissenschaftlichen Arbeiten der Palästina- und Arabienreisenden des
frühen 19. Jahrhunderts vor.
Der Zentral-Negev wurde damals von der weit verstreuten Konföderation der ´Azazmih bewohnt. Im Norden und Nordwesten grenzte ihr Gebiet an den Stamm der Tiyaha, mit dem sie politisch alliiert waren und im Westen an den Stamm der Tarabin. Die Tarabin erstreckten sich von der Region um Suez durch den nördlichen Sinai bis hin nach Gaza. Aufgrund der Kargheit ihres Landes gehörten sie zu den ökonomisch schwächsten Beduinenstämmen Südpalästinas.
Die Gbarat, welche aus dem saudi-arabischen Hijaz an das Mittelmeer vordrangen, wurden von den Tarabin, die durch Gaza wanderten, in das Wadi al-Hisi abgedrängt.
Im Gebiet von Gaza lebten, ihrer Überlieferung nach, schon immer die Hanagrah.
Ein Reisender des mittleren 19. Jahrhunderts berichtete vom Stamm der Gahalin, der ca. 150 Krieger umfasste und südöstlich von al-Halil (Hebron) bis hin zum Toten Meer lebte. Der Stamm besaß einige Pferde, etwa 200 Kamele und relativ viel Kleinvieh, betrieb extensiven Ackerbau und legte seine Felder in verschiedenen Wadi’s an. Politisch waren die Gahalin zur Zeit der osmanischen Verwaltung steuerpflichtig, besaßen jedoch noch all ihre Waffen und unternahmen ausgedehnte Raubzüge.
Bis zur Befriedung durch die Osmanen 1870 waren die Beduinen Vollnomaden (Biasio 1998: 29) und die Zucht von Kamelen und Ziegen bildete ihre Lebensgrundlage. Sie kontrollierten die Gebiete bis hin nach Jerusalem, Hebron, Gaza, Jaffa, Ramallah und Lod. Auf den Märkten tauschten sie Tiere und tierische Produkte gegen Getreide und andere Güter. Durch ihr Stammesgebiet führten die Heer- und Handelsstraßen von Ägypten, entlang der Mittelmeerküste des Sinai und Palästinas, durch den Nord-Negev bis hin nach Syrien und Jordanien. Hier verliefen auch die christlichen Pilgerstraßen nach Jerusalem und dem Katharinen-Kloster (Sinai) sowie die muslimischen Pilgerstraßen nach Mekka und Medina. Beduinen kontrollierten den Salzhandel vom Toten Meer und aus dem Sinai zu den Märkten nach Gaza, Nablus und anderen Städten sowie den Getreidehandel aus dem Nord-Negev nach Hebron, Nordpalästina, Gaza und Ägypten. Sie boten Reisenden gegen entsprechendes Entgelt Geleitschutz und forderten Wegezölle sowie Tributzahlungen von sesshaften Bauern. Auch Raubzüge gegen andere Stämme oder Plünderungen der Dörfer in dicht besiedelten Gebieten bildeten, besonders in Notzeiten, wichtige » Einkommensquellen«.
Trotz der Okkupation der Osmanen gelang es vielen arabischen Provinzen ihre relative Unabhängigkeit zu bewahren. Steuern an die Staatsmacht wurden selten entrichtet, und die osmanische Administration konnte sich nur durch Bestechung, Wortbrüche, gelegentliche Morde, sowie das Gegeneinanderausspielen rivalisierender Scheichs einen geringen Einfluss verschaffen.
In der kurzen Herrschaftsperiode der Ägypter (1831 - 1840) rühmte man sich, »die Araber mittels Enthauptungen beherrschen zu können« (ibid). Es gelang der neuen Verwaltung, schwächere Beduinenstämme steuerpflichtig zu machen und teilweise zu entwaffnen. Die mächtigeren Konföderationen des Negev wie die Tiyaha, Dullam (Zullam) und andere, setzten sich jedoch immer noch mit Erfolg zur Wehr. Nach dem Rückzug der Ägypter wurden auch diese von der, nun an europäische Vorbilder anknüpfenden, osmanischen Zentralverwaltung unterworfen.
Ein weiteres Bestreben der Befriedungspolitik war, die Beduinen, welche die Einhaltung der religiösen Pflichten eher als Sache der (verachteten) Fallachin ansahen, als treue Muslime zu gewinnen. Die Briten setzten zwischen 1917 und 1948 ihre Politik der Entmachtung fort und rekrutierten eine recht ‚erfolgreiche’ Beduinenpolizei zur Kontrolle der eigenen Bevölkerung.
Modernisierungen im Transportwesen, insbesondere durch die Eröffnung des Suezkanals 1869, den Bau von Eisenbahnen und das Aufkommen von Automobilen bzw. Lastwagen, brachte den Karawanenverkehr mit der Zeit völligen zum Erliegen und ließ die Kamelzucht unrentabel werden. Somit verloren die Beduinen seit Mitte des 19. Jahrhundert nach und nach ihre Einkünfte aus Wegezöllen, Tributzahlungen, Plünderungen und Raubzügen. Die kontinuierliche Ansiedlung jüdischer Immigranten, die seit Beginn des 20. Jahrhunderts einsetzte, beschränkte vor allem im Nord-Negev die Weidegebiete mehr und mehr. Mit der Errichtung der Grenzen zu Ägypten und Jordanien, erfuhr die Bewegungsfreiheit der Beduinen eine weitere Beschränkung .
Aller wichtigen Einkommensquellen beraubt, begannen die Beduinen seit Mitte des 19. Jahrhunderts Landwirtschaft zu betreiben. Diese kontinuierliche Entwicklung vom Nomadismus zum Halbnomadismus fand etwa mit Ende der britischen Mandatszeit (1948) ihren Abschluss.
Die Negev-Beduinen des mittleren 20. Jahrhunderts gehören nicht mehr dem Typus der reinen Kamelzüchter an, sondern mehrheitlich zu Kleinviehzüchtern, die noch einige wenige Kamelen als Last- und Reittiere hielten; sie betrieben Ackerbau und wurden von den Briten und von jüdischen Siedlern zum Bau von Kasernen, Flugplätzen, Straßen, als beritten Polizei und zu Erntezeiten in den landwirtschaftlichen Siedlungen eingesetzt.
Mit der Staatsgründung Israels 1948 setzte eine große Vertreibungs- und Fluchtwelle in Richtung der angrenzenden Länder ein. Die Gbarat und Hanagrah zogen geschlossen in den Gazastreifen, die Azazmih und Tarabin überwiegend in den Sinai. Von den 65.750 Beduinen und 95 Stämmen blieben nur ca. 11.000 Personen und 19 Stämme zurück (Biasio 1998: 23), die zwischen 1951 und 1966 im Reservatsgebiet zwischen Beersheva und Arad unter Militärverwaltung gestellt wurden.
Konföderationen 1948:
Konföderation: Anzahl der Stämme Anzahl der Personen
Tarabin 25 21.000
Tiyaha (inkl. Dullam) 28 18.000
´Azazmih 12 12.000
Hanagrah 4 7.000
Gbarat 14 5.000
Sa´idiyyin 6 1.000
Ahewat 3 1.000
Gahalin 3 750
Gesamt 95 65.750
(nach Biasio 1998: 22)
(Biasio 1998: 22)
Dieses auf dem Territorium der Tiyaha-Stämme liegende Reservat von 1100 km2, betrug noch ca. ein Zehntel des ehemaligen Wüsten- und Weidelandes und konnte nur mit einem Erlaubnisschein der Militärbehörde verlassen oder betreten werden. Israel begründet(e) diese Umsiedlung mit Sicherheitsgründen und besseren Kontrollmöglichkeiten. Das frei gewordene Land konnte von da an mit jüdischen Immigranten besiedelt werden. ‚Regiert’ wurden die Beduinen durch Scheichs, von denen man diejenigen begünstigt(e), die dem Staat gegenüber besonders loyal eingestellt waren.
Die zwangsweise Ansiedlung stellte für die Fallahin und ´Abid noch ein geringeres Trauma dar als für die »echten« Beduinen, die als ehemalige Herren der Wüste hiermit zu landlosen Siedlern ‚degradierten’.
Die sieben staatlichen Beduinensiedlungen 1998 (Biasio 1998: 27)
Siedlung Anzahl Personen
Rahat 29.000
Tel Sheva 8.500
Arara/Aroer 6.500
Kseifa 6.500
Laqiya 4.500
Hura 4.000
Segev Shalom 3.000
Gesamt 62.000
Die nicht-anerkannten Siedlungen 1998
Konföderation Stamm Anzahl Personen
Subkonföderation
Tiyaha
Hkuk al-Hzayyil 6.350
Abu al-Gi´an 570
al-Asad 780
Abu ´Abdun 600
Ntus al-´Atawnih 1.500
Gderat Abu Rgayyig 9.500
al-A´sam 3.000
as-San´ 3.200
al-´Ugbi 1.700
al-Afenis 900
Abu Kaff 3.000
Dullam Abu Rabi´ah 6.000
Abu Grinat 4.500
Abu Gwe´id 3.200
al-Kaskar 500
Tarabin
Garawin Abu Srihan 350
Gawali Abu ´Amrah 300
Nigmat as-San´ 1.000
´Azazmih Mas´udin 3.200
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Gesamt 50.150
(Abu-Saad 2000: 10)