G e s e l l s c h a f t

 

Die »wahren« Beduinen organisierten sich zu Stämmen, die sich aus Verwandtschaftsgruppen zusammensetzten. Fallahin und ´Abid bildeten ebenfalls Verwandtschaftsgruppen, jedoch keine Stämme. Erst seit 1948 begannen sich, mit Bewilligung der israelischen Behörden, auch Gruppen der Fallahin, zu Stämmen zusammen zuschließen.

 

Jeder Stamm (´Asirah) war in erste Linie eine territorial definierte Einheit, d.h. alle seine Mitglieder, die auf einem genau bezeichneten Gebiet (Dirah) lebten, hatten ein Nutzungsrecht auf gemeinsame Weiden und Wasserstellen in dieser Region. Die Zugehörigkeit zu einer Verwandtschaftsgruppe bzw. eines Stammes erfolgt patrilinear, d.h. Frauen gehören auch nach ihrer Heirat zur Verwandtschaftsgruppe ihres Vaters, die Kinder jedoch zu der des Mannes. Alle Angehörigen jener Gruppe haben, zumindest ideell, einen gemeinsamen Ahnen, der vor fünf oder mehr Generationen lebte.

 

In eine Abstammungsgruppe können auch nicht verwandte Männer integriert werden. Somit beziehen die Fallahin und ´Abid  z. B. ihre soziale Identität zusätzlich aus der Zugehörigkeit zu einer Abstammungsgruppe und tragen neben ihrem eigenen Namen auch den Namen des Stammesahnen.

Der Sektor des Mannes erfüllt(e) seine Aufgabe in einer solidarischen Gruppe, der Hams (arab.: fünf (Generationen) oder Hamula. Sollte ein Angehöriger der Gruppe z.B. in ein Tötungsdelikt verwickelt werden, so wären alle Mitglieder der Hams zur Bezahlung des Blutpreises verpflichtet. Die führende Persönlichkeit der stärksten Untergruppe (Rub) wird zum Scheich des ganzen Stammes erwählt.

 

Hochzeiten zwischen den »echten« Beduinen - die ihre Identität auf eine vornehme Abstammung (Asl) zurückführen - und den Fallahin bzw. ´Abid, finden nicht statt. Ausnahmsweise könnte ein Beduine eine Fallahah heiraten, aber nie würde er seine Tochter an einen Fallah geben.

 

Die Ansiedlung der Beduinen verursachte einen einschneidenden Umbruch in der traditionellen Familienstruktur. Die Frau sammelt heute nicht mehr Feuerholz, denn Strom kommt aus der Steckdose; sie trägt kein Wasser mehr, denn es kommt aus dem Wasserhahn (sollte es zumindest) – die moderne Beduinenfrau verbringt heute viel Zeit in den Warteschlangen des Sozialamtes, in der Frauen- und Kinderklinik  und der  Poliklinik.

 

60% der Männer und 85% der Frauen sind derzeit arbeitslos (Gesellschaft für Bedrohte Völker 2003: http://www.gfbv.ch/archiv/newsletter/newsletter157.html). Auch studierte Beduinen finden nur Beschäftigungsmöglichkeiten als Bauarbeiter, Kraftfahrer, landwirtschaftliche Hilfskräfte, Bedienstete im Hotelgewerbe und Arbeiter in Industriebetrieben.

 

Nach dem israelischen Wehrdienstgesetz muss jeder Staatsbürger Israels in der Armee dienen. Die arabischen Bürger jedoch werden mit Ausnahme der männlichen Drusen und Tscherkessen gar nicht erst eingezogen; Beduinen können freiwillig dienen und werden von der IDF (Israeli Defense Force)  gerne als Fährtenleser, einer gefährliche Position mit niederem Rang, eingesetzt.

 

Von der Ableistung dieses Wehrdienstes hängt es ab, wo man in Israel leben kann, wie hoch ein Baudarlehen oder das Kindergeld sein wird bzw. die Einstufung beim Steuersatz und den Universitätsgebühren.

 

Israel nimmt die Beduinen zwar in die Armee auf und gibt ihnen somit die Hoffnung auf viele Vorteile, jedoch kann von Chancengleichheit zwischen jüdischen und beduinischen Israelis nicht gesprochen werden. Folgende Graphik  anschaulicht die derzeitigen sozialen und wirtschaftlichen Unterschiede zwischen den drei Orten:

 

 

Rahat (Beduinenstadt), Beersheva (jüdische Stadt) und Omer (jüdischer Vorort):

 

 

 

(Abu Saad 2000: 14 aus SYN 2000)