G e s u n d h e i t s w e s e n
Die Gesundheitsversorgung der Beduinen in den Plansstädten aber auch in den "nicht-anerkannten" Siedlungen hat sich durch den Einsatz engagierter Hilfsorganisationen in den letzten 10 Jahren deutlich verbessert. Spricht Dr. Ludwig Watzal 1994 noch von 4 Kliniken in den Planstädten, so berichtet die Gesellschaft Galiäa heute von 12 Kliniken, 6 Mutter & Kind-Stationen zwischen den „illegalen“ Siedlungen und mehreren mobilen Einheiten, welche die ca. 400 Familien in den Regionen, denen keine öffentlichen Verkehrsmittel zur Verfügung stehen, regelmäßig besuchen.
In den "nicht-anerkannten" Siedlungen liegt die Kindersterblichkeit und die Anzahl der Geburtsfehler verglichen mit den jüdischen Kindern im Negev noch immer wesentlich höher. 50% der Beduinenkinder leiden an Blutarmut infolge von Mangelernährung, ebenso viel müssen vor Vollendung ihres ersten Lebensjahr stationär behandelt werden
M o b i l e K l i n i k e n
Die erste mobile Klinik wurde Ende der 70er Jahre eingerichtet, denn die Kapazitäten des Soroka-Krankenhauses in Beersheva waren ausgeschöpft. Täglich besucht heute eine mobile Klinik drei der „illegalen“ Siedlungen und behandelt hauptsächlich Diabetes, Bluthochdruck, Herzkrankheiten, Verbrennungen und ermöglicht die Dialyse vor Ort. Gleichzeitig versuchen die mobilen Einheiten, den Frauen Methoden der Familienplanung, Gesundheitsvorsorge für ihre Kinder und frühkindliche Erziehung (israelische) zu vermitteln.
Mobile Klinik (Foto: Gesellschaft Galiläa - http://www.gal-soc.org)
Ein großes Problem, nicht nur dieser Region, stellen Darm- und Durchfallerkrankungen bei Kindern dar, die auf ihrem langen Weg bis in die Klinik oft völlig dehydriert eintreffen und anschließend mindestens eine 2-wöchige stationäre Behandlung benötigen. Die mobile Klinik verteilt an Mütter Erste-Hilfe-Päckchen mit Salz und Zucker (Hydran) inklusive einer Anleitung wie das Medikament mit 2 Litern Trinkwasser zubereitet werden muss [ fraglich bleibt hier allerdings, ob 2 Liter Trinkwasser vorrätig sind und die Anleitung gelesen werden kann].
In den frühen 80-er Jahre begann das Soroka-Krankenhaus in Beersheva mit Studien über genetisch vererbbare Krankheiten und sah in der Gemeinschaft der Beduinen, die ihre Ehen zu ca. 60% innerhalb der Familie (Cousin-Cousinen-Heirat) schließen, ein häufigeres Vorkommen von genetisch bedingten Erbkrankheiten und somit ein ideales Forschungsfeld. Rivka Carmi, Dekanin an der Fakultät für Gesundheitswesen, berichtet von ca. 15 Jahre, die es dauerte bis die Forschungen akzeptiert wurden, denn die Beduinen selbst sahen sich als „Versuchskaninchen“ israelischer Ärzte. Heute, nachdem das Bewusstsein der Forscher gegenüber der Beduinentraditionen zunahm, kommen die Beduinen sogar freiwillig in die Kliniken und lassen sich beraten (Rivka Carmi).
Nahezu alle Beduinenfrauen gehen heute zur Geburt ihrer Kinder in eine der Kliniken. Durch die Registrierung des Neugeborenen stehen ihnen die Leistungen aus der Sozialversicherung zu, wie z.B. Kindergeld. Zwar gehören rund 30 Prozent der Beduinen keiner gesetzlichen Krankenkasse an, aber dennoch steht ihnen eine medizinische Grundversorgung [außerhalb der „illegalen“ Siedlungen] zur Verfügung.
Abb. 1 zeigt die Geburtenzahl pro 1.000 Einwohner im jüdischen und beduinisch-arabischen Sektor des Negev zwischen 1980 und 1995:
(Quelle: Zentrum für Beduinenstudien und
-entwicklung)
Trotz der Zunahme medizinischer Kliniken, gehört die Säuglingssterblichkeit der Negev-Beduinen noch immer zu den höchsten in Israel. Abb. 2 zeigt die statistische Säuglingssterblichkeit der Beduinen und der jüdischen Bevölkerung des Negev zwischen 1980 und 1995:
(Quelle: Zentrum für Beduinenstudien und –entwicklung)
Gemäß Daten des Gesundheitsministeriums lag die Säuglingssterblichkeit bei den Negev-Beduinen 1995 durchschnittlich bei 10,8 pro 1.000 Geburten; in den "nicht-anerkannten" Siedlungen bei 13,1, in den Plansiedlungen bei 7,6 und bei der jüdischen Negev-Bevölkerung bei 4,5 pro 1.000 Geburten. Als Hauptursachen für den frühen Tod der Beduinensäuglinge werden angeborene Anomalien, Frühgeburten, Atemnotsyndrome und Infektionskrankheiten verantwortlich gemacht. Bei den jüdischen Säuglingen gelten genetische Anomalien und Frühgeburten als Hauptursachen. Die Sterblichkeitsrate aufgrund von Gen- und Erbkrankheiten, lag bei den beduinischen Kleinkindern drei Mal höher als bei den jüdischen. Dennoch zeigt Tabelle 3, dass die Kleinkindersterblichkeit in den Jahren 1991 bis 1995, bei den Negev-Beduinen generell (in- und außerhalb der staatlichen Planstädte) abnahm.
(Quelle: Zentrum für Beduinenstudien und –entwicklung)
Das Regionalbüro des Gesundheitsministeriums strebte in den letzten Jahren einen flächendeckenden Impfschutz in der Region des Negev an. Die Immunisierungsrate der Beduinenkinder liegt heute noch ca. 10 % unter dem nationalen Durchschnitt (Abb. 4), der bei den Zweijährigen mit vollständiger Immunisierung gegen DTP, Polio, Hepatitis B und MMR 1995 vergleichsweise bei 94%, 95%, 93% und 95% liegt.
(Quelle: Zentrum für Beduinenstudien und –entwicklung)
Die Ursache für die hohe Zahl infektiöser Krankheiten bei den Negev-Beduinen-Kindern, liegt in ihrem niederen sozio-ökonomischen Niveau, den überfüllten und ärmlichen Wohnverhältnissen und den schlechten hygienischen Bedingungen. Die Einlieferungsrate der Beduinenkinder in die Kliniken, liegt aufgrund von Lungenentzündungen, Bronchitis, Rota-Virusinfektionen und bakteriellen Hirnhautentzündungen, gegenüber jüdischen Kinder, wesentlich höher. Hinzu kommen häufigere Unfälle, Vergiftungen und die Behandlung von Erbkrankheiten.
Die durchschnittliche Sterberate im vergleichbaren Alter liegt bei den Beduinen um nahezu 50% höher als bei den Juden des Negev. Die größten Unterschiede zwischen Juden und Beduinen, liegen hier bei den jüngsten Altersgruppen, den 0-4- und 5-14-Jährigen.
Ursachenspezifische Sterblichkeitsrate (pro 100.000 Personen)
bei Juden und Beduinen im Negev (1993 – 1994)
|
Anzahl (pro 100,000) |
|
Ursache |
Juden |
Beduinen |
Gesamt |
453 |
702 |
Infektionen |
9 |
24 |
Diabetes |
12 |
15 |
Bluthochdruck |
7 |
22 |
Akuter Herzinfarkt |
37 |
44 |
chron. Herzkranz-gefäßerkrankungen |
56 |
25 |
Schlaganfall |
46 |
67 |
bösartige Tumore |
102 |
79 |
(Quelle: Zentrum für Beduinenstudien und -entwicklung)