“Untersuchungsausschuss

zum Erziehungswesen der Beduinen des Negev"

 

 

 

Ein Bericht,

initiiert durch Herrn Zevulen Hammer,

(ehemaliger Minister für Erziehung, Kultur und Sport)

 

 

 

übergeben am 19. März 1998

an Herrn Ben-Zion Dal,

(Generaldirektor des Erziehungsministeriums)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ausschussmitglieder:

 

Dr. Yaacov Katz, Direktor der Schule für Erziehungswesen, Vorsitzender der Bar-Ilan Universität,

 

Dr. Ismael Abu Sa’ad, Fachbereich Erziehungswesen, der Ben-Gurion Universität des Negev

 

Herrn Mansur Abu Ajaj, Sekretär des Ksaife Gemeinderates

 

Herrn Halil Abu Ayesh, Direktor des Lakiya Gymnasiums

 

Dr. Camel Hualed, Abteilung Lehramt, Ministerium für Erziehungswesen, Kultur und Sport

 

Herrn Igal Zarfati, Abteilung für Entwicklung, Ministerium für Erziehungswesen, Kultur und Sport

 

Dr. Itzhak Tomer, Direktor des südlichen Distrikts, Minister für Erziehungswesen, Kultur und Sport

 

Herrn Moshe Shohat, Direktor der zuständigen Behörde für Ausbildung der Beduinen im Negev, Komiteesekretär

 

 

 

 

Zustandsbericht über Schulgebäude- und Lehrmaterialbedarf

 

Die derzeitige Ausstattung der Schulräume- und materialien in den Beduinen-Schulen des Negev können als extrem mangelhaft bezeichnet werden. Vor allem den elf Schulen, in den nicht von der Regierung gegründeten Planstädten‚ und somit in ‚illegalen’ Siedlungen, steht kaum ein Budget zur Verfügung. Die Räumlichkeiten befinden sich meist in (gesundheitsschädlichen Zink-) Hütten, die vor den extremen Klimaschwankungen der Wüstenregion kaum schützen können. Fließend Wasser, Strom, moderne Computeranlagen und pädagogische Grundausstattungen wie Videogeräte, Overhead-Projektoren, Werkstätten, Sportgeräte usw. fehlen meist gänzlich.

Im Gegensatz zu den provisorisch errichteten Schulen sind die 18 Bildungseinrichtungen der Planstädte mit Strom- und Wasseranschlüsse ausgestattet. Jedoch fehlen auch hier Bibliotheken, übliches Lehrmaterial und Werkstätten. Die Klassenräume sind überfüllt, da zu Planungszeiten das enorme Bevölkerungswachstum der Beduinen (6,3 % jährlich) unberücksichtigt blieb.

Der zusätzliche Bedarf an Schulräumen in den nächsten fünf Jahre würde bei jährlich 146 (insgesamt 730) liegen. (Tabelle 1)

 

 

 

Tabelle 1

Bedarf neuer Klassenräume in den ‘geplanten Beduinenstädten‘

innerhalb der nächsten 5 Jahre:

 

 

Klassenzimmer/Stufe

1998/

1999

1999/

2000

2000/

2001

2001/

2002

2002/

2003

Total

nicht-obligator. Kindergarten

für 3-4-Jährige

18

18

18

18

18

90

obligatorischer Kindergarten für 5-6-Jährige

6

6

6

6

6

30

Grundschule (6 Jahre)

24

24

24

24

24

120

Oberschule (6 Jahre)

47

47

47

47

47

235

Sonderschulen

6

6

6

6

6

30

Ersatz für defekte Baustrukturen

45

45

45

45

45

225

Gesamt

146

146

146

146

146

730

 

                                                       

 

Personalbedarf

 

Die Ausbildung von Lehrkräften für beduinische Israelis stellt einen weiteren Problemfaktor dar. Bis 1976  wurden überwiegend Lehrer/-innen aus den arabischen Dörfern des Nordens eingestellt, da die Beduinengemeinde selbst keine ausreichende Anzahl Lehrkräfte stellen konnte. Heute sind 60% der Lehrer/-innen Beduinen - die verbleibenden 40%  nicht-beduinische Araber/-innen (Melitz, 1995).

 

Während bei den Arabern im Norden ein Überschuss lokaler Lehrkräften besteht (häufigste Berufsausbildung der Araberinnen: Lehrerin), herrscht bei den Beduinen im Negev eine permanente Knappheit Das Ministerium für Erziehungswesen und Kultur entschied, dass arabische Absolvent/-innen Pädagogischer Hochschulen direkt nach der Ausbildung für den Zeitraum von 2-3 Jahren in die Beduinenschulen des Negev entsendet werden sollen. Dies kann jedoch nur als Übergangsphase gesehen werden, denn das eigentliche Problem, die Beduinenschulen mit adäquaten Arbeitskräften zu versorgen, ist somit nicht gelöst und endet in einer hohen Fluktuationsrate der Lehrer/-innen, die nach einigen Jahren Berufserfahrung in ihre Heimatdörfer in den Norden zurückkehren.

 

Ortsansässige Beduinen werden meist direkt nach der Oberschulausbildung [12 Jahre] in den Schuldienst eingesetzt. Sie haben zwar eine geringe Ausbildungszeit, bilden jedoch  einen beständigeren Lehrerpool. Nach Einführung eines speziellen Lehrganges für Beduinen (1976) am Institut für Lehramt in Beersheva hatte sich die Situation bereits etwas entspannt. Die Anzahl der Absolventen am  Lehrer-College beträgt ca. 30 - 35 Studenten pro Jahr. Diese Anzahl kann jedoch nicht mit der natürlichen Wachstumsrate (s.o.) der zu unterrichtenden Schüler Schritt halten. Gemäß eines Berichtes des Erziehungsministeriums von 1994 sind 23% der Lehrer in Beduinenschulen bis heute nicht ausreichend qualifiziert (Melitz, 1995).

 

Die Knappheit lokaler Lehrkräfte mit Berufsausbildung, ebenso der Mangel an Lehrerinnen, bleiben ein ernstzunehmendes Problem für das gesamte Schulsystem der Beduinen. In Tabelle 2 ist das notwendige Lehrpersonal der Negev-Beduinen-Schulen für die Schuljahre 1997/98 bis 2002/2003 aufgelistet:

 

 

Tabelle 2

 

Geschätzter Lehrer/-innenbedarf in den Beduinen-Schulen des Negev

für die Schuljahre 1997/98 bis 2002/2003

 

Personalbedarf/Auszubildende

1997/

1998

1998/

1999

1999/

2000

2000/

2001

2001/

2002

2002/

2003

Lehrerbedarf

1.721

1.881

2.078

2.286

2.514

2.765

unterrichtende Lehrer/-innen

1.170

1.371

1.459

1.547

1.627

1.707

Örtliche Hochschulabsolventen/

Bewerber für das Lehramt

66

88

88

80

80

80

Absolventen des Sonderlehrganges für Beduinen

135

unbekannt

unbekannt

unbekannt

unbekannt

unbekannt

Fehlende Lehrerinnen

350

422

531

659

807

978

 

 

Wie die o.g. Schätzungswerte darlegen wächst der Mangel an qualifizierten Lehrkräften, gemäß dem Bevölkerungswachstums, im Beduinensektor exponential. Diese alarmierenden Daten rufen nach ernsthaftem Handeln und alle Anstrengungen sollten gemacht werden, von Anbeginn potentielle örtliche Kandidaten für den Beruf des/r Lehrer/-in zu erkennen und zu fördern.

Dem Erziehungssystem fehlen auch qualifizierte einheimische Kräfte, die Positionen in den Aufsichtsbehörden (für die Fächer Mathematik, Naturwissenschaften, Sprachen, Geschichte, Geographie, Sozialwissenschaften, Musik, Sport usw. in der Grund- und Mittelstufe) besetzen. Alle Mitarbeiter des Aufsichtsrates sind jüdisch und werden selten bis gar nicht in den Beduinen-Araber-Schulen gesehen (Abu-Sa’ad, 1995). Zusätzlich besteht ein Mangel an Schulberatern. In der Grundschulstufe der jüdischen Schulen des südlichen Distrikts sind 69 Stellen besetzt – nicht eine in den Beduinen-Schulen. In der Mittelstufe herrscht ein Missverhältnis von 48 Beratern (in jüdischen Schulen) zu 3 Beratern (in Beduinenschulen) (Personaldaten zum Erziehungswesen 1995/6, 1995).

 

Die Anzahl weiblicher Lehrkräfte in den Beduinenschulen des Negev ist gering und nur wenige sind wirklich Beduinen. Das Kindergartenpersonal ist zu 100 Prozent weiblich. Je höher die Klassenstufe, desto geringer wird die Anzahl der Lehrerinnen. Kaum eine Frau unterrichtet in Gymnasien. Die Geschlechterrollen in dieser traditionellen Gesellschaft wahren immer noch die Meinung, dass Männer außerhalb des Hauses arbeiten sollen, um ihre Familien zu ernähren und Frauen zu Hause zu bleiben haben. Ihnen wird nicht zugestanden, genügend Autorität zu besitzen, um Kinder zu unterrichten, so dass ihre Aufnahme in den Berufsstand der ‚Lehrerin’ bei weitem nicht willkommen geheißen wird. 

 

Sami Mar’i, Autor:

 

… denn Werte und Traditionen definieren den untergeordneten Status  der Frau,

selbst wenn ein kleiner Prozentsatz der Frauen ausgereifte

Voraussetzungen für kulturelle Widersprüche geschaffen hat.

(1978 : 40).

 

 

 

Schule und Gesellschaft

 

Neben den Problemen im Erziehungssystem befinden sich die Lehrer/-innen selbst in einer ungewöhnlichen Situation, denn die Beduinenschulen bekamen die Aufgabe innerhalb einer traditionellen Gesellschaft, Modernisierung zu verbreiten.  Leistung wird nun betont - entgegen der traditionellen Wertung auf Stammesverwandtschaft und Status. Dies stellt eine der größten Veränderungen in der Lebensweise der heutigen Beduinen dar. Während zu Hause noch traditionelle Werte vorherrschen, vermittelt die Schule andersartige und widersprüchliche. Die Kluft zwischen den Konflikt geladenen Rollenträgern zu überbrücken, obliegt größtenteils in Händen der Schulverwaltung und Lehrer. Meist sind die Kontakte zwischen den Schulen und Eltern/Gemeinde sehr schwach ausgeprägt, auch wenn laut Umfragen Eltern häufig der Meinung sind, dass gute Beziehungen zwischen Schule und Gemeinde von entscheidender Bedeutung seien (Globman und Katz, 1997). Eine beachtliche Anzahl von Untersuchungen beweist, dass elterlicher Einfluss positiv auf die erzieherischen Ergebnisse wirken kann, z. B.: 1) eine höhere akademische Leistung (Haynes, Comer & Hamilton-Lee, 1989; Henderson, 1987); 2) verbessertes Wohlempfinden des Schülers (Cochran, 19897); 3) erhöhte Anwesenheit der Schüler/-innen (Haynes u.a., 1989); 4) positive Einstellung bzw. Verhalten der Schüler (Becher, 1984); 5) erhöhte Bereitschaft, Hausaufgaben zu erledigen (Rich, 1988); und 6) vermehrtes Streben nach einer höheren Ausbildung  (McDill, Rigsby & Meyers, 1969).

 

Wenn der Spalt zwischen Schul- und Gemeindeleben tatsächlich überwunden werden soll, muss das Beduinen-Bildungs-System als Ganzes betrachtet werden.

 

 

Vorzeitiger Schulabbruch

 

Oben genannte Mängel in der Beduinenausbildung beeinflussen die Leistungsfähigkeit der Negev- Schule negativ, d.h. die Schüler werden schlecht ausgebildet und brechen die angestrebte  Ausbildungszeit von insgesamt 12 Jahren [das israelische Oberschulsystem sieht keine Abschlüsse nach dem 9. und 10. Schuljahren vor] frühzeitig ab. Die Beduinenschulen haben mit 65% die höchste Rate frühzeitigen Schulabbruches in Israel. Nach Daten des Ministeriums für Erziehungswesen, Kultur und Sport, verließen in den Jahren 1991/92 bis 1994/95,  67% bis 71%  der Beduinen-Schüler vor Vollendung der 12. Klassen die Schule (Abbruchrate im (größeren) arabischen Sektor: 43% bis 46%). (siehe Tabelle 3).

 

 

Tabelle 3

Schulabbruch vor Vollendung der 12. Klasse

Negev-Beduinen - größerer arabischer Sektor

 

Schuljahr

Sektor der Negev-Beduinen

 arabischer Sektor

1991/92

71%

46%

1992/93

71%

45%

1993/94

68%

44%

1994/95

67%

43%

 

 

 

Leistung und Weiterbildung

 

Das geringe akademische Leistungsniveau an den Beduinenschulen verleiht den Schülern wenig Anreiz, die Schulausbildung zu vollenden. Der Prozentsatz der Beduinenschüler, die das Matrikulations- (Bagrut-) Examen bestehen, ist der niedrigste im Lande (siehe Tabelle 4). Da dieses Abschlussexamen eine Voraussetzung ist, um an den Universitäten und Fachhochschulen immatrikuliert werden zu können, kommen nur sehr wenige Negev-Beduinen in den Genuss dieser höheren Weiterbildung.

 

 

 

Tabelle 4

 

Prozentsatz der Schüler im Negev-Beduinen -/ Araber- /  jüdischen Sektor

mit erfolgreicher Aufnahmeprüfung während der Schuljahre 1991/92 bis 1994/95

 

Schuljahr

Beduinen-Sektor

Arabischer Sektor

Jüdischer Sektor

1991/92

3%

19%

36%

1992/93

3%

20%

38%

1993/94

5%

19%

40%

1994/95

6%

22%

40%

 

 

Bis zum Jahr 1993 gab es unter den Negev-Beduinen nur 135 B.A.- und M.A.- Universitäts-Absolventen, was einem Prozentsatz von 2 Graduierten pro 1.000 [Beduinen] entspricht (Abu-Saad, 1993). Die Hauptgründe für diese niedrige Rate liegen nach Abu-Sa’ad (1996) in:

 

a)      der niedrigen Qualität der angebotenen erzieherischen Dienstleistungen, die von der Regierung gestellt werden

b)      dem niedrigen wirtschaftlichen Niveau der Beduinengemeinde

c)      begrenztem sozio-ökonomischen Einkommen zur Investierung in höhere Bildungseinrichtungen und

d)      dem begrenzten Zugang zu höheren Bildungsstätten infolge von Teilnehmer beschränkenden Prüfungsprozeduren

(z.B. der auf [westlicher] Kultur basierende ‘Psychometric Test’), fehlenden Stipendien, finanziellen Hilfsprogrammen usw.

 

Die Jugend der Beduinen hat keinen Zugang zu speziell eingerichteten Programmen, die den Zugang an Fachhochschulen und Universitäten erhöhen kann. 1982 empfahl das Katzav-Komitee die Universitätsgebühren anzuheben - was tatsächlich geschah. Die jüdischen Studenten erhielten daraufhin ‘Armee-Veteranen’-Stipendien, auf die arabische Studenten [,welche zu 90 Prozent keinen Militärdienst leisten], ebenso Beduinen,  kein Anrecht haben. (Beduinen, die in der Armee dienten, hatten nicht die benötigten akademischen Papiere). Die Marginalität der Beduinengesellschaft in Israel, das niedrige ökonomische Niveau und das Fehlen jeder offiziellen Ermutigung, haben dazu beigetragen, dass die schulischen Leistungen der Beduinenjugend auf dem tiefsten Niveau des Landes stehen. (Abu-Sa’ad, 1996)     

 

 

 

Ergebnisse und Empfehlungen

 

Das Beduinen-Schulwesen im Negev steht an einem kritischen Scheidepunkt und das Formulieren von Zielen und Bestrebungen für seine zukünftige Entwicklung ist von äußerster Bedeutung. Die Gesellschaft kann es sich nicht leisten, die Beduinenbildung weiterhin seiner unbestimmten, evolutionshaften Entwicklung nachgehen zu lassen, wie in der Vergangenheit. Die neue soziale Wirklichkeit, der die Beduinen heute gegenüberstehen, erfordert eine gut ausgebildete Bevölkerungsgruppe, die anspruchsvolle und innovative Lösungen für die akuten Bedürfnisse schaffen kann. Folgende Empfehlungen sollten als Basis für die künftigen Planungen dienen und darlegen, wie das Schulsystem wesentlich verbessert und gefördert werden kann.

(Tabelle 5: gesamter Haushaltsbedarf).

 

● Für die Ausbildung der Beduinen wird ausreichendes Bildungsmaterial und Personal benötigt, das den Schülern/Studenten die Fähigkeiten vermittelt, künftig in Chancengleichheit zu ihren jüdischen Kommiliton/-innen zu stehen. Hierzu sollte das Ministerium für Erziehungswesen seinen Ausbildungsetat für folgendes einsetzen:

 

a)      moderne Einrichtungen (Gebäude, Werkstätten, Computer, Bibliotheken, Sporthallen, usw.)

b)      die gesamte Bandbreite professioneller Erziehungsleistungen mit Personal aus der Beduinengemeinde 

(pädagogisches Aufsichtspersonal, Berater, Erziehungspsychologen, Sonderschullehrer, Krankenschwestern, usw.)

c)      Sonderprogramme, wie z.B. ‘Ganztagsschulen’, sollten für wirtschaftlich benachteiligte Gemeinden geschaffen

werden und

d)      wie im jüdischen Sektor sollten für Begabte und Behinderte, gemäß ihren Fähigkeiten, gesonderte Programme

zur Verfügung stehen.

 

● Wie in Tabelle 1 dargestellt, herrscht in den von der Regierung reglementierten Städten ein Neubedarf an 146 Klassenräumen jährlich in den folgenden fünf Jahren (1998 – 2003), um eine Gesamtanzahl von 730 Klassenzimmern zu errichten (Kosten: 3.000,- NIS /qm x 50 qm pro Klassenraum). Auch der Bedarf in den ‚nicht anerkannten’ Siedlungen, muss berücksichtigt werden bzw. als Alternative, die Einrichtung zusätzlicher Gebäude in den `Regierungsstädten` inkl. Transportverkehr eingerichtet werden. (Budgetbedarf für das Schuljahr 1998/99: 21.000.000,- NIS; Budgetbedarf für 1999 – 2003 : 84.000.000,- NIS). 

 

● Bereitstellung von kostenloser Vorschulerziehung (für Kinder im Alter zwischen drei und vier Jahren), wie es in Gebieten ‘hohen nationalen Vorranges’ [z.B. in Grenz- und Entwicklungsstädten des jüdischen Sektor] üblich ist.

 

●  Entwicklung und Durchführung von Programmen für Eltern, insbesondere für Mütter mit Kindern, von der Vorschule bis zur Oberstufe, die grundlegende Fertigkeiten zur Unterstützung der Schüler vermitteln.

 

● Ausbildung und Einsatz zusätzlich qualifizierter Lehrer, die dem Bedarf im Beduinen-Schulsystems angepasst sind. Gleichzeitig muss die Anzahl unqualifizierter Lehrkräfte anhand von Lehrerausbildungsprogrammen reduziert  und den speziellen Anforderungen der Gemeinde angepasst werden.  Um den Lehrermangel zu verringern, sollte das Erziehungsministerium die Ausbildung von je 100 beduinischen Studenten jährlich innerhalb der nächsten fünf Jahre im Bereich der Lehrerausbildung an pädagogischen Fachhochschulen und Universitäten unterstützen und Anreize schaffen, um qualifizierte Lehrer für die Beduinenschulen anzuwerben. Es sollten intensive Verbesserungsprogramme für Beduinen-Gymnasien erörtert werden, um eine ausreichende Anzahl qualifizierter Kandidaten für die Aufnahme (-prüfungen) an pädagogischen Instituten vorzubereiten. Diesen Schülern sollten Unterstützung und Stipendien angeboten werden, geknüpft an die Bedingung, bis zum Ende ihres Studiums als Lehrer an einer der Beduinenschulen zu arbeiten. Das bereits initiierte Sonderprogramme für Fort- und Weiterbildung sollte unbedingt beibehalten werden. Ein zusätzliches 100-tägiges Programm zur beruflichen Anleitung für unterrichtende Lehrer/-innen wäre sinnvoll, um deren Lehrmethoden zu verbessern. (Haushaltsbedarf für das Schuljahr 1998/99: NIS 7.300.000,-; Haushaltsbedarf für die Jahre 1999 – 2003: NIS 29.200.000,-).

 

● Das Problem des frühzeitigen Schulabbruches muss sofort in Angriff genommen werden, denn die Abbruchrate unter den Beduinenschülern ist die höchste Israels. Z.B. mit Prüfung der Anwesenheit in den Schulen und besonderem Augenmerk auf die Mädchen.

Es wird Zeit, dass das  Ministerium für Erziehung und Kultur beginnt, die nötigen professionellen Lehrkräfte (Anwesenheitsprüfer, Berater, Erziehungspsychologen, Sozialarbeiter usw.) zur Verfügung zu stellt, um die gesetzliche Schulpflicht auch tatsächlich durchzusetzen.

Es muss hierbei berücksichtigt werden, dass eine gesonderte Erziehung für Mädchen und Jungen (ähnlich wie in den religiösen jüdischen Schulen) notwendig ist, um eine Lösung für die hohe frühzeitige Abbruchrate der Mädchen zu finden.

 

Für das Schuljahr 1998/99 müssen mindestens 8 Personen eingestellt werden, welche die Anwesenheit der Schüler/-innen kontrollieren, 8 Erziehungsberater und 8 Sozialarbeiter (z.B. mindestens ein Fachmann pro Bereich, in jedem der 7 Planstädte) - allein um mit der Abbruchrate zurecht zu kommen. (Haushaltsbedarf für das Schuljahr 1998/99: 8.000.000,- NIS, der Haushaltsbedarf für die nächsten 4 Jahre wird sich nach den Erfahrungswerten des Jahres 1998/99 richten.)

 

● Lehrpläne und Schulbücher sollten aktualisiert werden, um die Schüler auf die Anforderungen des 21. Jahrhunderts vorzubereiten. Ebenso sollten diese auf die Berücksichtigung der Beduinenidentität, -kultur und –erbe überprüft werden und die Eignung, den radikalen sozialen Umbruch zu bewältigen. Es muss ein gesondertes Team gebildet werden, um Lehrpläne zu überarbeiten und zu verbessern, um den speziellen Bedürfnissen der Beduinen gerecht werden zu können. (Haushaltsbedarf für das Schuljahr: 1998/99: 4.000.000,- NIS; der Haushaltsbedarf für die nächsten 4 Jahre wird sich nach den Erfahrungswerten des Jahres 1998/99 richten.)

  

● Die derzeit laufenden Sonderprogramme des Ministeriums für Erziehungswesen in Beduinenschulen sollten als eine Art positiver Ansatz aufrecht erhalten bzw. erweitert werden, um den sozialen Spalt zwischen der Beduinengemeinde und anderen Sektoren der israelischen Gesellschaft zu verringern. (Haushaltsbedarf für das Schuljahr 1998/99: NIS 2.760.000,-; der Haushaltsbedarf für die nächsten 4 Jahre wird sich nach den Erfahrungswerten des Jahres 1998/99 richten.)

 

● Die technische Ausbildung in den Beduinenschulen muss erweitert werden. Es ist entscheidend, dass Bildungsprogramme entwickelt werden, die grundlegende und zeitgerechte Fertigkeiten der Elektronik, den Computerwissenschaften und der Telekommunikation vermitteln. Das Konzept 'Ein Computer für jedes Kind" sollte auch im Beduinen-Sektor wie in der restlichen Gesellschaft Israels verwirklicht werden. Deshalb bedarf es zusätzlicher Weiterbildungsprogramme für Lehrer, Technikern und Support, um einen Ring von Ausbildern zu schaffen, der ein fortschrittliches technologisches Programm in den Beduinenschulen anleiten kann. (Haushaltsbedarf für das Schuljahr 1998/99: 4.000 000,- NIS; Haushaltsbedarf für die Jahre 1999 – 2003: NIS 16.000.000,-).

 

● Die Landwirtschaftlichen Studien müssen verbessert werden, denn trotz der Verstädterung der Beduinen bleiben viele von ihnen noch abhängig vom landwirtschaftlichen Erwerb. Die Ausbildung hat - im weitesten Sinne - die Kraft, die landwirtschaftlichen Traditionen der Beduinen in moderne und zukünftige Strategien umzuwandeln, um wirtschaftlich und kulturell leistungsfähig zu werden und sich in die israelische Gesellschaft einzugliedern. Hierfür wird vorgeschlagen, eine Landwirtschaftliche Schule aufzubauen. (Haushaltskosten für das Schuljahr 1998/99: NIS 8.000.000,-; der Haushaltsbedarf für die nächsten 4 Jahre wird sich nach den Erfahrungswerten des Jahres 1998/99 richten.). 

 

● Die Beduinenausbildung muss überprüft werden auf die sozialen und wirtschaftlichen Bedürfnisse der Gesellschaft. Ihr Bildungssystem und Erbe soll die Studenten (und ihre Eltern) mit Stolz erfüllen und ihnen Selbstvertrauen in die Nützlichkeit ihrer Fähigkeiten für die Zukunft schenken.

 

● Es besteht die Notwendigkeit, die Beziehungen zwischen den Schulen und dem Gemeindewesen sowie das elterliche Mitspracherecht vom Kindergarten bis in die Oberstufe zu stärken. Das beduinische Schulsystem sollte das Gemeinde-Schulmodel, welches im jüdischen Sektor erfolgreich angewendet wird, übernehmen. Die Beduinenschulen sollten der `Gesellschaft für Gemeindeschulwesen` in Israel beitreten, die sie mit Anweisungen, Fortbildung und professioneller Unterstützung anleiten kann, um eine qualifizierte Gemeindeschulerziehung zu praktizieren. Es sollten auch für Eltern Kurse angeboten werden, die sie befähigen, ihre Kinder zu motivieren und zu unterstützen. (Haushalts bedarf für das Schuljahr 1998/99: 1.000.000,- NIS; Haushaltsbedarf für die Jahre 1990 – 2003: 4.000.000,- NIS).

 

● Professionelle Beduinenausbilder und Gemeindeleiter sollten in die Beduinen-Ausbildungs-Behörde, einer Abteilung des Ministeriums für Erziehungswesen des Süd-Distriktes, mit einbezogen werden. Beduinenausbilder, die einen professionellen Beitrag leisten können, sollten in höhere Positionen, wie z. B. als Aufsichtsrat, Assistenten des Distriktdekans usw., eingesetzt werden, um an politischen Entscheidungsvorgängen und Planungen mitwirken zu können.

 

Zur erfolgreichen Umsetzung der o. g. Empfehlungen muss das Beduinen-Erziehungs-System, qualifizierte Führungspersönlichkeiten und Ausbilder aus den Reihen der Gemeinde beschäftigen, um  die notwendigen Politstrategien und -planungen anleiten zu können. Am dringendsten benötigt wird eine klare Politik, die darauf abzielt, die Probleme und Mängel in der Beduinenausbildung zu beseitigen und beide, die Studenten und die Gemeinde, effektiv auf die Bewältigung der Zukunft vorzubereiten. Um die Probleme, an denen die Beduinenerziehung seit Gründung des Staates leidet, zu korrigieren, sollten die politischen Entscheidungsträger des Schulsystems in Israel die Aufgabe, das Beduinen-Erziehungssystem zu verbessern, auf die oberste Prioritätenliste setzen. Das Ministerium für Erziehungswesen, Kultur und Sport sollte, neben anderen Regierungsbüros, grundlegendes Ausbildungsmaterial, gemäß dem üblichen Stand in Israel, zur Verfügung stellen.

Ohne eine Budgetzuteilung, die von dem Komitee für erforderlich gehalten wird, ist es nicht möglich, wesentliche Änderungen herbeizuführen, um das Bildungsniveau der Beduinengemeinde anzuheben und die Kluft zwischen den Beduinen und der jüdischen Gesellschaft, besonders im Bereich der Erziehung, aber auch in anderen Sphären des Lebens, schließen zu können.

Das Komitee weist auf die Dringlichkeit hin, dass das Ministerium für Erziehungswesen, Kultur und Sport diese Empfehlungen als Ganzes annimmt und durchführt, um den signifikanten Unterschied, der die letzten 50 Jahre zwischen dem Beduinen-Erziehungs-System im Negev und dem allgemeinen israelischen Schulsystem bestanden hat, auszugleichen. Auf der einen Seite ist sich das Komitee bewusst über die zahlreichen anderen gerechtfertigten Haushaltsnachfragen gegenüber dem Ministerium für Erziehung. Auf der anderen Seite aber kann der Staat Israel, der auf den Prinzipien gleicher Bildungschancen verankert ist, nicht die ernste Krise, in der sich das beduinische Schulsystem heute befindet, verleugnen – und sollte unmittelbar handeln, um diese Ungerechtigkeit zu beheben.

 

 

Tabelle 6

 

Zusammenfassung

des Haushaltsbedarfs für das Beduinische Schulsystem

in den Schuljahren 1998/99 und 1999 - 2003

 

Einrichtung

Schuljahr 1998/99

Schuljahre 1999 - 2003

1) Klassenzimmer

21.000.000,- NIS

84.000.000,- NIS

2) Lehrerausbildung

7.300.000,- NIS

29.200.000,- NIS

3) Hilfspersonal und –

    mittel

8.000.000,- NIS

zu ermitteln

4) Überarbeitung der

    Lehrpläne

4.000.000,- NIS

zu ermitteln

5) Aufrechterhaltung

    bestehender staatlicher   

    Sonderprogramme

2.760.000,- NIS

zu ermitteln

6) fortschrittliche

    technologische 

    Programme

4.000.000,- NIS

16.000.000,- NIS

7) Landwirtschaftliche

    Schule

8.000.000,- NIS

zu ermitteln

8) Eltern- und

    Gemeindearbeit

1.000.000,- NIS

4.000.000,- NIS

  

Gesamtbetrag

 

48.860.000,- NIS

133.200.000,- NIS +Aufwendungen für 3,4,5,7

 

Wechselkurs (Juli 1998):    1 NIS = 0,49 DM

 

 

 

 

Bibliographie

 

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Originaltext: The Center for Bedouin Studies and Development