Die Beduinen der Wüste Negev, die ehemaligen arabischen Hirtennomaden Süd-Palästinas, stehen seit der Staatsgründung Israels 1948 einem modernen Staats- und Rechtssystem gegenüber, das sich einst zum Ziel setzte, eine der "demokratischsten Demokratien" zu formieren.

Während der Kriegsgeschehnisse 1948 flohen über 80% der Beduinen in die angrenzenden Länder des jungen Staates. Die verbliebenen 11.000 Personen verelffachten sich innerhalb der folgenden 50 Jahre auf ca. 121.000 Personen und erreichten somit eine Verdoppelung ihrer ursprünglichen Population – doch stehen ihnen heute nur noch 10 Prozent des damaligen Landes zur Verfügung.

Israel und die Jewish Agency beanspruchen das Land des Negevs, um weitere 350.000 jüdischer Immigranten (Ha'aretz / Jerusalem Post, 10/2002) bis zum Jahr 2010 (The Guardian, 27.02.2003 spricht von 1 Million) anzusiedeln und als militärische Sperrzone. Nach Aufhebung der 15-jährigen Militärverwaltung (1951 - 1966) über dem Reservationsgebiet  Shaigh, zwischen Beersheva und Arad, ist es den Beduinen nicht mehr möglich - wie 1948 angekündigt -, in ihre angestammten Gebiete zurückzukehren. Im Gegenteil, die derzeitige Regierung versucht die Beduinen in den vom Staat nicht-anerkannten, "illegalen“ Siedlungen dazu zu bewegen, in die bereits heute überfüllten 7 Planstädte umzusiedeln.

Zurzeit (2003) leben ca. 53.000 Menschen in den offiziell anerkannten Wohnkomplexen. 68.000  Beduinen verharren trotz ärmlichster Verhältnisse und Repressalien in den 45 so genannten  „nicht-anerkannten“ Siedlungen, die heute nicht mehr aus Ziegenhaar gewebten Zelten sondern Zinkhütten und Plastikplanen bestehen.

Im Rahmen eines 1,75 Milliarden US-Dollar umfassenden Fünf-Jahresplanes (siehe: Appell der Gesellschaft für bedrohte Völker an die EU) ollen auch sie in drei Planstädte umgesiedelt werden. Doch statt die Betroffenen und ihre gewählten Vertreter in die Vorgehensweise der Umsiedlung mit einzubeziehen, sollen die Enteignungen und  Zerstörung der nicht anerkannten Dörfer legitimiert und von einer Polizeitruppe durchgesetzt und überwacht werden. Geplant sind 14 weitere jüdischen Siedlungen auf dem „neu gewonnenen“ Land.

Das Zentrum für Beduinenstudien und -entwicklung, gegründet 1998 an der Ben Gurion Universität des Negev, versucht durch Studien und deren Veröffentlichung, die derzeitige Regierung und Gesellschaft auf die nicht adäquaten und den Beduinen nicht gerecht werdenden Verhältnisse in den Planstädten aufmerksam zu machen. In den letzten Jahren nahmen die Verelendung und Verslummung in einzelnen Stadtvierteln erheblich zu. Parallel zu der wachsenden Arbeitslosigkeit (ca. 40% - 60% bei Männern, 85% bei Frauen), folglicher Verzweiflung, Apathie, dem Gefühl gefangen und ausgeliefert zu sein, Drogenkonsum und Kriminalität, stieg auch die Feindseligkeit gegenüber dem Staat selbst an.

Um dem sozialen Sprengstoff entgegen zu wirken, setzt das Zentrum für Beduinenstudien  und -entwicklung auf die Ausbildung der beduinischen Jugend. Durch die gemeinsame Arbeit mit Israelis und die Vergabe von Stipendien an Beduinen - besonders an Frauen [pro Studienjahr und Student/-in: ca. 3.000 Euro], sollen Konzepte gefunden werden, die es der Beduinengesellschaft ermöglicht, den Weg von einer nomadischen zu einer sesshaften bzw. gemischten Lebensform - wenn schon nicht selbst - zumindest mitzugestalten.

Ismael Abu Saad, der erste Institutsleiter, hat eine Hoffnung: „Nur mit Bildung können die Beduinen ihre Rechte am Obersten Gerichtshof einfordern - ohne Bildung wissen sie nicht einmal was der Oberste Gerichtshof eigentlich ist.“

Zentrum für Beduinenstudien und -entwicklung an der Ben Gurion Universität des Negev:

www.bgu.ac.il/bedouin

 
 

 
 

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Claudia Müller
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Institut für Völkerkunde

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